Theoretisch-praktische slowenische Sprachlehre für Deutsche, 1832

Zgodbe svetega pisma za mlade ljudi Theoretisch-praktische slowenische Sprachlehre für Deutsche
Stara slovenika
Anton Murko
Deutsch-slowenisches und slowenisch-deutsches Handwörterbuch: Nach den Volkssprecharten der Slowenen in Steiermark, Kärnten, Krain, und Ungarn's westlichen Distrikten
Spisano: Gradec, 1832.
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do strani VII

Theoretiſch = praktiſche
Sloweniſche Sprachlehre
für
Deutſche,
nach den
Volksſprecharten der Slowenen
in
Steiermark, Kärnten, Krain und Ungarns
weſtlichen Diſtrikten.

Nebſt einem Anhange
der zum Sprechen nothwendigſten Wörter, einer Auswahl
deutſch = ſloweniſcher Geſpräche für das geſellſchaftliche
Leben, und kurzer ſloweniſcher Aufſätze zum Überſetzen
ins Deutſche.

Von
Anton Johann Murko

Grätz, 1832.
Verlag der Franz Ferſtl‘ſchen Buchhandlung.
Johann Lorenz Greiner.


Non sunt ferendi, qui hanc artem (grammatices), ut tenuem et jejunam,
cavillantur ; quae nisi oratori futuro fundamenta fideliter jecerit, quid-
quid superstruxeris, corruet : necessaria pueris , jucunda senibus, dulcis
secretorum comes , et quae vel sola omnistudiorum genere
plus habet operis quam ostentationis. Ne quis igitur tan-
quam parva fastidiat grammatices elementa: non quia magnae sit operae,
consonantes a vocalibus discenere , ipsasque eas in semivocalium nu-
merum, mutarumque partiri , sed quia interiora velut sacri hujus
adeuntibus apparebit multa rerum subtilitas , quae non modo acuere
ingenia puerilia , sed exercere altissimam quoque eruditio-
nem ac scientiam possit.
Quinctilianus.


Vorrede

Bevor man eine Sprache zu lernen anfängt ,
will man gewöhnlich von ihrer Nothwendigkeit und
den aus deren Kenntiß hervorgehenden Vortheilen
überzeugt ſeyn. Daß die ſloweniſche Sprache *)
für Jeden , der in den herrlichen Landantheilen der
Slowenen als Prieſter , Beamter , Militär , Arzt ,
Schulmann oder in welchem Berufe immer lebt ,
wenn er nicht ganz am unrechten Orte und völlig
unbrauchbar , oder doch kein Halbling ſeyn will ,
höchſt nothwendig , in den meiſten Fällen ſchlech=
terdings unentbehrlich iſt, bedarf wohl keines weit=
läufigen Beweiſes, da es von ſelbſt in die Augen
leuchtet , wie unerläßlich die Kenntnis der Sprache
eines Volkes ſeyn müſſe , mit dem man als öffentli=
che oder Privatperſon im ununterbrochenen Geſchäfts=
verkehre ſteht. Ferner iſt die Liebe zu ſeiner Spra=
che ein Hauptzug im Volkscharakter des Slowenen,
und er mißtrauet (ob mit Recht oder Unrecht, ge=
hört anderswohin ; geung , es iſt einmal ſo ! und iſt

  • ) Ich nehme das Wort "Slowene, ſloweniſch" in wei=

Terer Bedeutung , und verſtehe darunter den ſlawischen Dia=
lekt , wie er in Steiermark , Kärnten , Krain und den weſt=
lichen Diſtrikten von Ungarn geſprochen wird. In engſter
Bedeutung des Wortes iſt Slowene mit Winde (dem
Slowenen in Steiermark und Kärnten , zum Unterschiede der
in denſelben Provinzen wohnenden deutſchen Nachbarn) ,
und im weiteſten Sinne mit Slawe gleichbedeutend.

Dieß bei andern Völkern anders?) Jedem, der mit
ihm Geſchäftsverbindungen einzugehen hat , und ,
aus welchem Grunde immer , ſeine (des Slowenen)
Sprache erlernen könnte und ſollte , und es doch
Nicht thut , weil er einen ſolchen für zu ſtolz , als
daß er ſie erlernen wollte , oder für zu talentlos ,
als daß er dieß könnte , in jedem Falle aber ſeines
Vertrauens unwürdig hält. Aufrichtig , offenherzig
und doppelt vertraulich hingegen iſt der Slowenen mit
dem , der es , zumal bei einer wichtigeren Stellung
als geiſtliche oder weltliche Obrigkeit , der Mühe
werth gefunden , die ſloweniſche Sprache zu erler=
nen und zu ſprechen. Wie vielen ſchlechten Hand=
lungen würde man durch die Kenntniß der Sprache
des Volkes , in deſſen Mitte man wirkend lebt ,
vorbeugen , und wie manche Unannehmlichkeiten ſich
erſparen , die in dem bei weitem meiſten Fällen nur
aus dem , lediglich durch Sprachunkenntniß beding=
ten , gegenſeitigen Mißtrauen entſpringen!

Zu dem aber tritt noch der Umſtand, daß man
mit der Kenntniß der ſloeniſchen Sprache nicht bloß
auf Steiermark, Kärnten oder Krain beſchränkt bleibt.
Die Slowenen ſind ein nicht unwichtiger Stamm
der Slawen, welche sich, ihre Herrſchaft und Spra=
che in drei Welttheilen – Europa, Aſien und dem
nördlichen Amerika – ausbreiteten , und im Gan=
zen den neunten Theil des Erdbodens inne haben.
Bei ſechzig , nach den neueſten Angaben gar gegen
ſiebenzig (?) , ſicher aber viel über fünfzig Millio=
nen , in ihrer Geſamtheit durch Arbeitsliebe , tie=
fes , inniges Gefühl für häusliches Glück, Gastfrei=
heit, Mutterwitz und Tapferkeit gleich ausgezeichne=
ter, Menſchen rühmen ſich, zu dieſem Riesenvolke zu
gehören. Daß ſie verſchiedene Mundarten (aber alle
doch einenander verſtändliches ſlawiſch!) sprechen, iſt
bei der ungeheuren Ausdehnung ihrer Sitze wohl
kaum anders möglich. Denn von Raguſa am mittel=
ländiſchen Meere , nordwärts bis an die Küſten des
Eismeeres , rechter Hand bis über Kamtſchatka auf
Amerika's nördlichem Kontinente , und linker Hand
bis an die Oſtſee hin , trifft man überall ſlawiſche
Völkerſchaften , theils herrſchend , theils andern
Völkern dienend , an. Außer den Arabern , die einſt
von Malaka bis Liſſabon herrſhten , kennt die Ge=
ſchichte kein größeres Volk. – Und mit allen die=
ſen kann man ſich verſtehen , wenn man auch nur
Einen ihrer Dialekte vollkommen gut – wohlge=
merkt! ich wiederhole es mit Bedacht noch ein
Mal – vollkommen gut erlernet hat.

Wer ſich ſolch' eine vollkommene Kenntniß ei=
gen gemacht hat , wird gewiß (es müßten denn ein
Paar Localismen eine andere Sprache , oder ver=
ſchiedene Betonungen gleich eine neue Mundart be=
gründen , in welchem Falle allerdings die Zahl der
Sprachen die der Dörfer wäre, und wir, streng ge=
nommen, ſo viele Mundarten hätten, als es menſch=
liche Zungen und Kehlen gibt) nicht Ursache haben,
zu klagen, daß die ſloweniſche Sprache in jedem
Dorfe eine andere ſei , ſondern er wird ſie überall
gleich, und auch die entfernteren ſlawiſchen Dialek=
te, wohl mehr oder weniger abweichend , aber nicht
himmelweit verſchieden, und immer doch verſtändlich
finden. Nur darin Unkundige oder Halbwiſſer, de=
ren gannzer Wortreichthum, wie der eines ſiebenjäh=
rigen Kindes, bloß in Bezeichnung von Wein,
Brot, Fleiſch, eſſen, trinken und ſchla=
fen beſteht, die außer einigen Phraſen und elenden
Fluchformeln gewöhnlich weiter wenig wiſſen , und
doch ihrem Wahne das Sloweniſche erſchöpft zu
haben vorgeben , obwohl ſie der ſonſt unwiſſendſte
Bauer in ihrer Sprachkenntniß bei weitem über=
trifft, - nur solche wird man über die Verſchieden=
heit und Unverſtändlichkeit der ſloweniſche Spra=
che Klage führen hören.

Der gemeine Mann , ſei er ein Kärntneriſcher ,
Krainiſcher oder Ungariſcher Slowene , wird , wie
ich mich hundert Mal zu überzeugen Gelegenheit
hatte , das Sloweniſche in ſeinem ganzen Bereiche
gar nicht verſchieden , ſelbſt den Kroaten und Ser=
ben , die wohl etwas abweichen , leicht , und nur
Böhmen und Polen , deren Mundarten für Slowe=
nen die enfernteſten ſind , zwar ſchwer , wohl auch
recht ſchwer , immer jedoch verſtändlich finden.

Eben dieſer gemeine Mann verſteht aber auch
das „isídi ſe vólja tvòja und od réſhi naſ od sléga
oder réſhi naſ slà" ſeines Vaterunſers, wofür Ei=
nige , welche als Volkslehrer die Sprache , um so
mehr den Vaterunſer verſtehen , und jedes Wort
desſelben ſollten zu erklären wiſſen , häufig aber lei=
der! nicht einmal ſloweniſch leſen , viel weniger
richtig zu ſchreiben im Stande ſind , bei ihrem Un=
terrichte lieber „sgòdi ſe und od húdiga" einflickten,
und das (wenigſtens in Steiermark) ſchon ſeit
Mannsgedenken beſtandene richtigere „ isídi ſe und
od sléga, slà" bloß deßwegen ausmerzten, weil es
nach ihrem Dafürhalten nichts (!!) heiße (ich hörte
dieſe Behauptung mit eigenen Ohren), und von
Niemanden verſtanden werde. – Ein wirklich gu=
ter Deckmantel für Hlab= und Unwiſſer wäre es
allerdings , wenn es überall anginge , das Nichtver=
ſtandene für Nichts zu erklären, und zu behaupten,
es werde von Niemanden verſtanden , weil man ſich
ſelbſt nicht die Mühe genommen , es auch verſtehen
zu lernen.

Wenn ich hier vom Verſtehen des gemeinen
Mannes ſpreche, ſo ſind , wie ich wohl kaum zu
Erinnern nöthig habe , die wiſſenſchaftlichen und an=
Deren Kunſtausdrücke nicht mitbegriffen , weil ſie
außer ſeiner Erkenntnißſphäre liegen , und der ge=
meine Mann, wie dieß bei allen Völkern der Fall ist,
unmöglich ſolche Worte verſtehen kann , wo er von
dem durch ſie bezeichneten Gegenſtande entweder
gar keine , oder eine irrige Vorſtellung , geſchweige
denn die zum vollen Verſtehen nöthige Klarheit des
Begriffes hat.

Die Nothwendigkeit und der Nutzen einer
vollkommenen Kenntniß der ſloweniſchen Sprache
läge demnach am Tage , und es wäre nun anzuge=
ben , worin eigentlich dieſe Kenntniß beſteht , und
wie man am ſchnellſten , leichteſten und ſicherſten
dazu gelangt ? – Die vollkommene Kenntniß der
ſloweniſchen , ſo wie einer jeden Sprache , besteht
1. in der Kenntniß des Wortvorrathes der Sprache
nach ihrem ganzen Umfange , als des todten Mate=
riales der Sprachen, und 2. in der klaren , gramma=
tiſch richtigen Auffaſſung der Wort = Bildungs =,
Biegungs = und Fügungslehre , als des Inbegriffes
der Regeln , den todten Wortvorrath dem allgemein
beſſeren Sprachgebrauche und auch dem beſonderen
Sprachgeiſte (d.i. der, einer jeden einzelnen Sprache
(als ihr allein) eigenen, in dem inneren und äußeren
Sprachbaue begründeten , und im Sloweniſchen aus
der Vergleichung aller ſlawiſchen Dialekte zu erör=
ternden , beſonderen Bildungs=, Biegungs = und
Bindungsart der Wörter) gemäß zu verarbeiten, und
zur lebensvollen , volksthümlichen Sprache zu ge=
ſtalten. Erſteres wird ein treues und vollſtändiges
Wörterbuch enthalten , letzteres eine umfaſſende gute
Sprachlehre lehren. Daß ſloweniſchlernende Fremde
auch die fleißige Uebung durch Umgang nicht ver=
nachläßigen dürfen , iſt wohl nicht erſt zu erinnern
nöthig.